Interview mit Manuel Siskowski – Markenaufbau und Branding auf dem Amazon-Marktplatz

Endlich sind wir zurück mit einer brandneuen Folge des exklusiven Merchantday-Podcasts zum Thema Markenaufbau und Branding auf dem Marktplatz Amazon. Gast der heutigen Folge ist kein geringerer als Manuel Siskowski. Er ist nicht nur Verkäufer, sondern auch Marken-Besitzer und hat somit hervorragende und tiefgehende Kenntnisse zu Konsum-Abläufen auf Amazon.

Manuel kümmert sich bereits seit 2017 um die Werkzeug-Marke „Wiesemann 1893“. Ziel der Marke ist es, die führende digitale Werkzeugmarke zu werden. Werkzeuge als Produktkategorie findet Manuel besonders interessant, da es dabei bisher nur einen relativ geringen Digitalisierungsfokus gibt. Die meisten Kunden setzen eher auf den Fachhandel oder Retail und Handwerkzeuge im E-Commerce ist für die meisten dann doch eher Neuland.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von merchantday.podigee.io zu laden.

Inhalt laden

Inhalte der Folge im Überblick:

  • Wie kam es zur Strategie, eine digitale Marke zu werden? (4:07 min)
  • Warum gleiche Preise im Online-Shop wie auf Amazon? (7:23 min)
  • Inwiefern spielen Marken im Werkzeug-Bereich eine große Rolle? (9:23 min)
  • Braucht man für Produkte wie Hammer wirklich eine Marke? (13:04 min)
  • Was ist überhaupt eine „Marke“? (16:13 min)
  • Entstehung des Markennamens „Wiesemann 1893“ – Tradition oder Kreativität? (20:00 min)
  • Sind bekannte, große Konkurrenzmarken ein Problem oder eine Challenge für die eigene Marke im Werkzeugbereich? (24:08 min)
  • Ist Amazon selbst schon mit einer Eigenmarke im Werkzeugbereich aktiv? (29:20 min)
  • Wo sieht Manuel den Consumer E-Commerce in der Zukunft? (40:00 min)
  • Mergers and Acquisiton (M&A) bei Amazon (47:55 min)

Wie kommt man zur Strategie, eine digitale Marke zu werden?

Die Marke von Manuel setzt mit Amazon auf den größten Marktplatz, weil dort der Kundenzugang liegt und man nicht in jedem Land einen neuen Shop aufbauen muss. Insbesondere in den westlichen Ländern (Europa und USA) ist der größte Marktplatz zweifelsfrei Amazon.
Trotzdem hat Wiesemann 1893 auch einen Online-Shop ihrer Marke. Dieser wurde allerdings auch erst nach den Amazon-Aktivitäten eröffnet. Der Online-Shop wird aber eher als starker Branding-Kanal angesehen, da festgestellt wurde, dass die Customer Journey folgendermaßen aussieht:

  1. Anfangs befindet sich der Kunde befindet im Werkzeugbereich und hat ein spezielles Problem.
  2. Der Kunde sucht nach Problemlösern, in Form von Werkzeug.
  3. Er findet ein Produkt der Marke Wiesemann 1893.
  4. Erst dann informiert sich der Kunde bei Suchmaschinen (z.B. Google) über Hintergründe der Marke, insbesondere, wenn Produkte relativ teuer sind. Dadurch versucht der Kunde herauszufinden, ob die hohen Preise auch gerechtfertigt sind.

Als seriöse Brand muss man dann selbstverständlich gut auffindbar sein. Darüber hinaus gibt die Marke Wiesemann 1893 den Kunden die Chance, die Produkte auch zum komplett gleichen Preis auch bei ihnen im Shop zu kaufen. Die Preise werden also synchronisiert. Dies ist fair den Kunden gegenüber, weil auf Amazon immer noch 12 % Verkaufsprovision (im Werkzeugbereich) entfallen.

Warum die gleichen Preise im Online-Shop wie auf Amazon?

Manuel argumentiert, dass es Sinn macht, ein globales Pricing zu haben. Mit globalem Pricing ist gemeint, dass es irrelevant ist, in welchem Land und auf welchem Kanal ein Kunde ein Produkt von der Marke kaufen will. Denn die Produkte kosten überall das gleiche. Nirgendwo gibt es Schnäppchen-Angebote oder billigere Preise, da im Endeffekt immer von der Marke selbst verkauft wird und auch die Rechnung von ihnen gestellt wird. Das trainiert dem Kunden zumindest für die eigene Marke den Preisvergleich ab. Oft gibt es nämlich große Preisschlachten durch die Händler. Wiesemann 1893 hingegen möchte seinen Kunden ein gutes und sicheres Produkt liefern und somit Vertrauen schaffen.

Inwiefern spielen Marken eine große Rolle in der Kategorie Werkzeuge auf Amazon?

In der Vergangenheit hat eine Marke im Handwerkzeugbereich überhaupt keine Rolle gespielt. Werkzeuge waren immer ein klassisches Fachhandels-Ding. Der Kunde ist in den Laden gekommen und sagte, was er möchte. Zur Auswahl gab es eine teure A-Marke und eine billigere Hausmarke. Es hat kaum eine Werkzeugmarke Zeit und Geld ins Branding gesteckt.

HandwerkzeugeDies ist aber verwunderlich, denn Werkzeug ist eigentlich eine emotionale Produktkategorie, die nur nie emotional bespielt wurde. Daher sieht Manuel ein Branding als äußerst sinnvoll.

 

Aber ist Amazon der richtige Kanal fürs Branding?

Ja und das muss er auch sein. Insbesondere, wenn man beobachtet, mit welcher enormen Geschwindigkeit der Shift zu E-Commerce geschieht. Der Marktplatz Amazon bietet mittlerweile selbst auch zahlreiche Branding-Möglichkeiten wie den Amazon A-Plus Content, Bilder, Videos, Brand Stores und viele mehr an.

Doch braucht man für Produkte wie Hammer wirklich eine Marke?

Die Sortiment-Strategie der Marke Wiesemann 1893 zielt darauf ab, dass der Kunde am Ende sein komplettes Werkzeug von der Marke kauft. Es macht bei Werkzeugen nicht viel Sinn, nur auf ein Produkt zu setzen bzw. zu branden.

hammer

Wenn man zum Beispiel an einen Hammer denkt: Diesen kauft man nur circa alle 15-20 Jahre. Hier würde sich ein aufwendiges Branding kaum lohnen. Wenn Leute aber von dem Hammer überzeugt sind und in einigen Jahren ein anderes Werkzeug benötigen, erinnern sie sich eventuell an das Vertrauen in die Marke und sind eher bereit, auch andere Teile von der Marke zu kaufen.

Viele Kunden der Marke Wiesemann 1893 haben sich beispielsweise gerade ein neues Haus gekauft und merken, dass sie doch noch selber viel machen müssen. Plötzlich braucht man Werkzeug wie Hammer, Schraubenschlüssel usw. Sobald man als Muster des Kundenverhaltens erkennt, macht es Sinn, sich eine Marke in der kompletten Kategorie aufzubauen und nicht nur für einzelne Produkte.

Was ist mit dem Begriff „Marke“ gemeint?

In dem Moment, wo ein Kunde die Marke wiedererkennt und darauf basierend seine Kaufentscheidung stützt, ist es eine erfolgreiche Marke. Zunächst muss man es natürlich schaffen, den Kunden vom Produkt zu überzeugen und erste Berührungspunkte mit der Marke zu schaffen. Wenn diese Berührungspunkte positiv sind, der Kunde bei der nächsten Kaufentscheidung die Marke wiedererkennt, positive Assoziationen damit hat und basierend darauf kauft, funktioniert das Konzept Marke.

Viele haben das Problem, dass auf einer rein transaktionalen Basis gearbeitet wird und Branding einfach viel Zeit und Geld kostet. Außerdem hat es keinen direkten Sales-Impact, wodurch es ziemlich langwierig wird.

Wie ist der Markenname Wiesemann 1893 entstanden?

Manuel hatte das Glück, die bereits bestehende Wiesemann GmbH nutzen zu können, die auf die Gebrüder Wiesemann zurückgeht. Mit der Nutzung dieser Marke haben sie sich auf die Heritages bezogen und der Markenname klingt bereits nach Tradition.

Hat der Markenname auch eine messbare Auswirkung auf den Absatz?

Die Auswirkung ist natürlich schwer messbar und man müsste dafür einen sauberen A-B-Test mit einem anderen Markennamen durchführen. Allerdings wird in den Rezensionen der Produkte sehr häufig erwähnt, dass Kunden die Marke sogar noch von früher kennen. Insbesondere die Kunden in Südeuropa assoziieren mit dem Markennamen häufig eine deutsche Marke mit einer langen Geschichte und Tradition.

Entgegen der Traditionswirkung gibt es aber einen kleinen Bruch, da das komplette Branding der Marke relativ aktuell und modern gehalten ist. Dort wird weniger auf Qualität und Tradition und mehr auf Emotionalität gesetzt.

Insgesamt hat es aber meist einen großen Vorteil, einen großen Markennamen zu haben.

Sind bekannte, große Konkurrenzmarken ein Problem für die eigene Marke im Hand-Werkzeugbereich?

Tatsächlich gibt es nur sehr wenig bekannte Marken im Handwerkzeug-Bereich. Die meisten kennen lediglich Elektro-Werkzeugmarken. Manuel vermutet, dass der deutsche Durchschnittsverbraucher sogar nur ca. 0,5 % der Handwerkzeugmarken kennt. Das spielt Wiesemann 1893 natürlich hervorragend in die Karten und sie versuchen im Bereich Inhalt (Content) Marktführer zu sein.

Manuel erzählte, dass sie den Preis etwas unter dem Marktführer angesetzt hatten und mit reinem Content überzeugen konnten. Dies hat schlussendlich sogar dazu geführt, dass sogar große Traditionsmarken auf den Preis von Wiesemann 1893 reagiert haben und mit ihrem Preis ebenfalls runtergingen.

Im Handwerkzeugbereich ist es besonders interessant, dass es viele starke nationale Player gibt. Manuel glaubt, dass die einzige Chance ein internationaler Player zu werden, Amazon ist. Auf Amazon hat man die Chance auf vielen verschiedenen Marktplätzen unterwegs zu sein. Dies ist auch sinnvoll und wichtig, da vermehrt Produktrezensionen harmonisiert werden. Wenn man nur auf einem Amazon-Marktplatz vertreten ist, ist es nahezu unmöglich, eine kompetitive Anzahl an Rezensionen zu erreichen.

Ist Amazon selbst mit einer Eigenmarke im Werkzeugbereich aktiv?

Ja, Amazon ist mit Amazon Basics bereits im Werkzeugbereich unterwegs. In den USA ist der E-Commerce-Gigant damit auch sehr erfolgreich, in Europa allerdings nicht. Des Weiteren hat Amazon noch Umi, das in Europa schon deutlich besser läuft. Es liegt auf der Hand, dass man fürchtet gegen Amazon mit den meist erfolgreichen Eigenmarken keine Chance zu haben.

Interessant für Wiesemann 1893 ist aber, dass der Werkzeugbereich sehr Long-tailig ist. Für Amazon ist es beispielsweise schwer, ein gutes Produktmanagement anzubieten. Es würde sich nicht lohnen, tausende Ratschen-Variationen herauszubringen. Amazon fokussiert sich meist nur auf die drei Top-Seller sowie auf den Low-Cost Bereich. Das wirkt sich selbstverständlich auch auf Qualität der Produkte aus.

Langfristig ist es schwer gegen die Amazon Eigenmarken sowie chinesische Brands preislich zu konkurrieren. Amazon argumentiert fast nur über Preis und in China gibt es zahlreiche gute Marken, die tausende Produkte verkaufen. Die Produktion dort ist aber oft sehr spezialisiert und es gibt eher sogenannte „One-Product Brands“. Die Wertschöpfung von Wiesemann hingegen ist kategorieübergreifend.
Dementsprechend lohnt es sich durch Branding eine clevere Positionierung zu erreichen. Auch guter Content ist unabdingbar, um langfristig zu bestehen.

Der Vorteil gegenüber Amazon Basics und Eigenmarken ist außerdem, dass Amazon sich selten stark auf das Produktdesign fokussiert. Die Marke Wiesemann 1893 legt hingegen großen Wert darauf, das eigene Produkt zu customizen, eigene Linien zu kreieren, ansprechende Videos zu gestalten und Produktanwendungs-Content zu erstellen.

Wo siehst du den Consumer E-Commerce in der Zukunft?

Manuel vermutet, dass wir die Plattform-Ökonomie niemals loswerden. Diese ist einfach und angenehm für Kunden. Eine Alibaba-Variante in Europa wäre ein erstrebenswertes Ziel und auch, dass man es schafft, zu einem Duopol oder Oligopol zu kommen. Eine Monopolisierung ist nämlich nie gut für den Kunden oder für Lieferanten.

Außerdem erwartet einen der Globalisierungsdruck, den man beachten muss. Auch im Hinblick auf z.B. Rezensionen auf Amazon, sollte man mindestens in Europa und USA aktiv sein. Trotzdem wird es zunehmend schwerer neue Brands auf den Markt zu bringen, da es in allen Kategorien bereits etablierte Player gibt.

AR

Auch auf der technischen Seite wird sich im E-Commerce Bereich viel verändern und vor allem im positiven Sinne. Früher lag der Fokus auf, dann auf Fotos und mittlerweile befinden wir uns im Video-Zeitalter. Doch was kommt danach? Augmented Reality (AR) im eigenen Shop? Die Technik ist meist deutlich weiter als Konsument und Marke. Die Anwendung von AR würde für den Handwerkzeugbereich Sinn machen, da man Produkte in 100 % Größe sehen kann. So sieht man z.B. bei Werkzeugen, ob es eine Halbzoll- oder eine Viertelzollnuss ist.

Mergers and Acquisition (M&A) bei Amazon

Hierbei geht es zum Beispiel darum, wenn ein Unternehmen ein anderes kauft und es zu Verschmelzungen kommt. Manuels Meinung dazu im Bezug auf Wiesemann 1893 ist, dass das Modell generell für jeden in der Szene gut ist, wenn das Interesse daran steigt.
Das US-Startup Thrasio findet bestbewertete und gut verkaufende Alltagsprodukte bei Amazon und kauft dann die Firmen, die dahinterstehen. Mittlerweile hat Thrasio bereits 65 Brands gekauft, die bestimmt langfristig eine Chance haben werden. Amazon-Marken kann man sehr günstig einkaufen. Somit wird Venture-Capital aufgenommen und sich davon ein paar Amazon-Brands gekauft. Für Wiesemann 1893 ist es allerdings keine Option, weil der Multiple zu klein ist.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Aktuell läuft das Geschäft auf Amazon sehr gut.

Macht es in dem Zuge Sinn, einen Ausstieg zu wagen?

Man weiß natürlich nie, inwiefern das Geschäft auch zukünftig noch so profitabel läuft. Für einige Marken oder Unternehmen macht es also bestimmt Sinn. Das gilt aber nur für Unternehmen, die langfristig keine professionelle Marke aufbauen möchten und, wo eine Positionierung und eine langfristige Vision fehlt.

Für jeden, der aber eine ernsthafte Direct-to-Customer-Brand aufbauen möchte, macht der Ausstieg wenig Sinn. Jeder muss für sich überlegen, ob langfristig agiert werden soll oder, ob man seine KPIs so optimiert, dass sie für die Käufer gut aussehen und man damit viel Geld erhalten kann.

Fazit: Branding-Strategie auf Amazon agieren lohnt sich.

Insbesondere, wenn man eine emotional aufgeladene Produktkategorie hat, lohnt sich eine gute Branding-Strategie, die auch auf Amazon verfolgt wird. Ein umfassendes Markenkonzept erzeugt beim Kunden auf der kompletten Customer Journey Vertrauen und Transparenz. Gerade in einer Zeit der Informationsüberflutung und dem ständigen Händler-Battle erfüllen Marken eine wichtige Funktion.